Nach dem Ende meiner Berufstätigkeit als Politik- und Kunstlehrer habe ich begonnen, mich um eine Verbreitung progressiver Reformvorschläge zur Umgestaltung und Neubegründung der Europäischen Union (EU) zu bemühen. Im Mai 2016 stieß das dazu von mir verfasste Konzeptpapier Ideen und Vorschläge zur Lösung der europäischen Krise. Siebzehn Aspekte zu einem Neubeginn in Europa auf breiteres Interesse: Angehörige der Partei Die Linke und des Attac-Netzwerks Bremen gaben mir die Möglichkeit, meine Ausarbeitung öffentlich zu präsentieren und zu diskutieren, weshalb zu diesem Papier zwei Vortragstexte entstanden sind. Im zweiten Text wird das Problem öffentlicher Verbreitung und Vermittlung vorwärtsweisender Reformvorschläge für die EU besonders hervorgehoben. Aufgrund der fortwährenden Bedeutung dieses Aspekts ist der entsprechende Abschnitt im vierten Dokument nochmals in gesonderter Form wiedergegeben.
Als ein Auslöser der europäische Krise ist u.a. die 2010 einsetzende Schulden- und Sparpolitik gegenüber Griechenland anzusehen. Angesichts der ökonomischen und sozialen Tragödie, die sich daraufhin in Griechenland abspielte, verfassten Beate Ellerbrock-Schlitt und ich im November 2015 für die Bremer Solidaritätsgruppe Sympáthia eine Stellungnahme zur Griechenlandkrise. Ein Jahr später, im Dezember 2016, schrieb ich einen offenen Brief an die Bundeskanzlerin zur Beendigung der Austeritätspolitik, der u.a. von drei in Sachen Europa besonders fachkundigen Personen aus Bremen unterstützt wurde.
Im darauf folgenden Jahr war die Teilnahme an den Kundgebungen der Bürgerinitiative Pulse of Europe (PoE) in Bremen ein geeigneter Anlass, einen Brief an das hiesige Organisationsteam zu schreiben, in dem wir eine deutlichere Positionierung zur Politik der EU und Berücksichtigung konstruktiver Reformvorschläge anmahnten. Außerdem entstanden aus zwei Reden, die ich auf den Kundgebungen gehalten habe, ein Gastkommentar für den Bremer Weser Kurier sowie zu späteren Zeitpunkten zwei offene Briefe zur Investitionsstrategie der Initiative restart Europe now!
Bei den Redebeiträgen und meinem Gedankenaustausch mit Mitgliedern der Bremer Initiative setzte ich mich dafür ein, dass PoE ein klareres politisches Profil entwickelt und eine engere Zusammenarbeit mit einflussreichen Nichtregierungsorganisationen sowie anderen fortschrittlichen europapolitischen Initiativen anstrebt. Gleichzeitig plädierte ich über einen eigenen Verteiler, der bis zu 90 Personen erreicht hat, für aktive Beteiligungen an den PoE-Kundgebungen. Im Juni 2017 befasste ich mich anlässlich eines Bremer Expertentreffens in dem Beitrag Debatten und Diskurse reichen nicht aus! mit der mangelnden Wirksamkeit akademischer Debattenkultur sowie möglichen Alternativen.
Am 27.10.2018 war PoE Bremen einer der Veranstalter des Bremer Ratschlags, auf dem zentrale Zukunftsfragen der EU diskutiert wurden. Dazu fassten die 81 Teilnehmer/inne/n gemeinsame Beschlüsse, die an den europapolitischen Ausschuss der Bremer Bürgerschaft weiter geleitet wurden. Bedauerlicherweise waren bei dieser kompetenten und engagierten Veranstaltung keine Presse- und Medienvertreter anwesend, sodass es kein öffentliches Echo hierzu gab. Unsere Beobachtungen hielten Beate Ellerbrock-Schlitt und ich in einem Rückblick fest, der für künftige ähnlich angelegte Veranstaltungen nützlich sein könnte.
Seit März 2018 ging ich dazu über, aktuelle europapolitische Kampagnen (Aufrufe, Petitionen, offene Briefe, E-Mail-Aktionen) zu verbreiten, die ich jeweils mit kurzen Hinweisen oder Kommentaren versah. Damit wandte ich mich nicht nur an Freunde und Bekannte, sondern auch an einen europapolitisch versierten Expertenkreis, dem u.a. Mitglieder der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und der Partei Die Linke angehören.
Mit dieser Verbreitungspraxis geht eine politische Denkweise einher, die sich über Parteigrenzen hinwegsetzt und an der kritischen Expertise prominenter Plattformen und NGOs sowie an deren Einflussnahmen auf zentrale Politikfelder in der EU orientiert ist. Dabei handelt es sich um eine Grundeinstellung, die u.a. durch Demonstrationen bestätigt wurde, die am 19.5.2019 in sieben deutschen und weiteren europäischen Großstädten unter dem Motto „Ein Europa für alle – Deine Stimme gegen den Nationalismus“ durchgeführt wurden. Die Proteste, an denen sich in Deutschland rund 150.000 Menschen beteiligten, waren ein Weckruf zur Beteiligung an der Europawahl und wurden von rund 250 Organisationen und NGOs unterstützt – darunter auch mehreren, die sich zuvor durch eine eigene europapolitische Kampagnen-Praxis bemerkbar gemacht haben.
Meine persönlichen Einmischungen möchte ich nunmehr mit den auf dieser Website hinterlegten Beiträgen und nicht zuletzt meiner Studie zur europapolitischen Kampagnen-Praxis abschließen. Wünschenswert wäre es, wenn das Heft des Handelns von anderen engagierten und gescheiten Menschen übernommen würde. Und warum könnten dies nicht auch Studierende und Schüler/innen sein, die sich im Kontext der Fridays for Future-Bewegung zunehmend politisiert haben?
Mit dieser Studie schließt sich zugleich ein „Kreis“ pragmatischer Interventionen, deren Anfang sich bereits 2016 im Konzeptpapier Ideen und Vorschläge zur Lösung der europäischen Krise abzeichnete. Schon damals ging es mir um eine Agenda, die in offenen Briefen Verbreitung finden sollte (vgl. erstes PDF-Dokument).
Viele der dort geäußerten Praxisvorschläge lagen schon damals gleichsam „in der Luft“ und sind inzwischen von diversen kritisch-konstruktiven Initiativen aus der Zivilgesellschaft in Angriff genommen worden. Zugleich aber haben sich bei der bisherigen Kampagnen-Praxis erhebliche Probleme bezüglich einer wirkungsvolleren Verbreitung bemerkbar gemacht. Die mit dem Ausgang der Europawahlen entstandene Zäsur gibt nunmehr Anlass zu einer kritischen Rück- und Neubesinnung: Es besteht Grund genug, sich intensiv mit den entstandenen Problemen und Chancen der bisherigen Interventionspraxis auseinanderzusetzen und daraus weiterführende Schlüsse zu ziehen.
Dem trägt bereits der Titel meiner Untersuchung Klick-Aktionismus oder Anstiftung zu solidarischem Handeln? Eine Studie zum europapolitischen Kampagnen-Aktivismus Rechnung, die im Juni 2019 abgeschlossen und seither in vier Nachträgen aktualisiert wurde.
Die Untersuchung soll nicht nur Anregungen geben, sich mit der bisherigen Kampagnen-Praxis kritisch-konstruktiv auseinanderzusetzen, sondern daran auch aktiv zu beteiligen. Worum es dabei geht, kann dem Abstract auf Seite 2 entnommen werden.
Mit dieser Studie und den übrigen hier hinterlegten Beiträgen ist vor allem eines beabsichtigt: zur Überwindung politischer Organisationsegoismen und Verkapselungen im proeuropäisch engagierten „Reformlager“ beizutragen. Denn nach dem durch die Europawahlen entstandenen Einschnitt wird dies ein Gebot der Stunde sein: das Ringen um ein zukunftsfähiges Europa mit vereinten Kräften wieder aufzunehmen.
In der neuesten Ausgabe der Untersuchung bin ich dieser Herausforderung genauer nachgegangen – in vier Nachträgen, die anlässlich der von Fridays for Future im vergangenen Jahr anberaumten „Klimastreiks" entstanden sind. Dreh- und Angelpunkt bildet hier ein Überblick über aktuelle klima- und umweltpolitische Kampagnen, der als Handreichung für geeignete Anlässe wie die „Klimastreiks" und weitere daran anknüpfende Aktivitäten konzipiert war (vgl. S. 87) und hier in aktualisierter Form für weitere Verwendungen zur Verfügung gestellt wird:
Diesen Überblick habe ich am 20.9.2019 sechs einflussreichen Initiativen zugesandt. Damit war der Versuch verbunden, die Kampagnen-Praxis in der außerparlamentarischen Klimaprotestbewegung wirksamer zur Geltung zu bringen. Die dabei aufgetretenen Hemmnisse werden im dritten und vierten Nachtrag zur Studie genauer erläutert.
Darüber hinaus gibt ein im Februar 2020 entstandener entstandener Diskussionsbeitrag zur internetbasierten Kampagnenpraxis komprimierte Einblicke in die Kernaussagen der Studie und deren aktuelle Bedeutung:
Die Materialien 14 bis 16 sind en bloc auch auf der Homepage der Bremer Heinrich Böll Stiftung unter dem Titel Klima, Umwelt, Europa – im Brennpunkt von Kampagnen erschienen, siehe www.boell-bremen.de. Diese Anschrift kann bis auf weiteres als zentrale Adresse für die Bekanntmachung und Verbreitung von Kampagnen genutzt werden, die dem Schwerpunkt Klima und Umwelt gewidmet sind.
Zu hoffen ist, dass dem publizistischen Anstoß, den hiermit die Heinrich Böll Stiftung in Bremen gegeben hat, weitere Impulse folgen werden – von Akteuren, die daran interessiert sind, der Kampagnen-Praxis eine größere Breitenwirkung und mehr Durchsetzungskraft zu verleihen.
Der Corona-Schock, der in diesen Tagen die gesamte Welt sowie die europäische Gesellschaft und Wirtschaft erschüttert, setzt ein Großteil der auf dieser Website empfohlenen Reformvorschläge zur Umgestaltung der EU erneut unter stark zugespitzten Vorzeichen auf die politische Tagesordnung: u.a. noch nie dagewesene staatliche Ausgleichsmaßnahmen zur Bekämpfung der Krise auf nationaler und europäischer Ebene sowie die Evakuierung aller überfüllten Flüchtlingslager auf dem griechischen Festland und an der EU-Außengrenze, die einer Ausbreitung des Coronavirus vollkommen wehrlos ausgeliefert sind.
Bremen im März 2020